Wie der Frosch zur Vase kam

Im Morgennebel, dicht an dicht, Seerosenblätter schwimmen.

Im blassen, fahlen Sonnenlicht klingen der Frösche Stimmen.

Der kleinste Frosch, er quakt und quakt, doch keiner will ihn hören.

Ganz gleich, wie sehr er sich auch plagt, er scheint doch nur zu stören.

"Ich bin es leid!", sagt er zu sich. "Ich will nun nicht verzagen!

Und ganz alleine werde ich weit in die Welt mich wagen!"

Nur fort von hier, so schnell er kann, wenn auch Gefahren lauern.

Die ander'n Frösche mögen dann hier auf dem See versauern.

Er packt sein kleines Köfferlein mit lauter schönen Sachen.

Mit seinen Roben, seidig fein, wird niemand ihn verlachen!

Von Blatt zu Blatt hüpft er geschwind bis hin ins weiche Gras.

Wie viele Meilen es wohl sind zum Schloss, von dem er las?

Des Weges kommt ein Pferdgespann mit Kutsche wie gerufen.

Noch eh' man ihn entdecken kann, erklimmt der Frosch die Stufen.

Hoch auf dem Kutschbock sitzt er nun, den Blick nach vorn gerichtet.

Und er braucht weiter nichts zu tun, bis er die Schlossburg sichtet.

Burg Rabenstein, das stolze Schloss, das möchte er erkunden.

Die Ritter dreh'n dort hoch zu Ross des Morgens ihre Runden.

Der Frosch springt auf - es ist so weit! Er sieht des Schlosses Tor.

Die Ritter stehen schon bereit, Fanfaren spiel'n im Chor.

Im Pferdetrab zum Hof hinein, es dauert nicht mehr lange.

Wie wird es wohl im Schlosse sein, wo Menschen sind zugange?

So viele laufen hin und her hier auf des Schlossherr'n Sitz.

Gleich öffnen sie die Türe schwer, der Frosch hüpft durch den Schlitz.

Nun steht er mitten im Gemäuer und ist vor Ehrfurcht fast erstarrt.

Dort gibt es wohl kein Ungeheuer, das lauernd tief im Keller harrt?

Hier oben bricht im bunten Glas des Sonnenlichtes heller Schein.

Wer hier wohl einstmals schweigend saß, im Traum gelöst vom irdisch Sein?

Doch heute scheint Tumult zu sein im Schloss an allen Orten.

Die Diener stolpern zwischendrein mit Gläsern, Platten, Torten.

Der Frosch, er lauscht der Menschen Worte, die tragen Kannen voll von Wein.

Ein Fest, eins der besond'ren Sorte, soll Höhepunkt des Abends sein!

Gaukler sieht er und Akrobaten, sie wirbeln dort im Lichterglanz.

Kostüme, virtuose Taten, geheimes Funkeln, wilder Tanz.

Und dort? Was gibt es da zu seh'n? Er folgt dem wunderbaren Duft.

Der Frosch bleibt dicht am Türspalt steh'n, es klingt wie Liebe in der Luft …

Wahrhaftig! Was er dort erblickt ist schöner als der kühnste Traum.

Die Tafeln kunstvoll sind geschmückt, der Blumenduft erfüllt den Raum.

Das Sonnenlicht erhellt den Saal, vertreibt die letzten Schatten.

Gedeckt ist für ein köstlich Mahl auf königlichen Platten.

Sie sind aus feinstem Porzellan, die Vasen, die hier stehen.

Viel weißer als der schönste Schwan - davon will mehr er sehen!

Entschlossen schlüpft er in den Raum, aus dem Gesang und Harfe klingen.

Ganz leise, denn er traut sich kaum, beginnt er freudig leicht zu springen.

Am Fuß des Throns in schlichtem Gewand ein Jüngling die Harfe zupft.

Geschmeidig greift die geschickte Hand, der Frosch sich ein Tränchen tupft.

Der Jüngling, der auch dazu singt, hat ein Gesicht mit feinen Zügen.

Ob es dem Frosche wohl gelingt, dass sich für ihn wird alles fügen?

Begeistert quakt er so laut er kann, er will nun nicht mehr schweigen.

Die schönen Blumen ringsum sodann zum Gruß die Köpfe neigen.

Der Jüngling schrickt auf, erhebt sich schnell, zu seh'n wo der Laut herkam.

Der Frosch, er verneigt sich, ganz formell, die Bäckchen leicht rot vor Scham.

Ach jeh, das stimmt, er völlig vergaß: Quaken ist nicht seine Stärke!

Und das vor dem Jüngling, der dort saß und sang wie von Gottes Werke!

Noch eh' der Frosch entlaufen kann, kniet sich der Jüngling nieder.

Das Fröschlein findet sich sodann in seinen Händen wieder.

Lächelnd hebt der Jüngling ihn ganz vorsichtig vor sein Gesicht.

Dann ruft er zur Türe hin: 'Kommt alle her! Das glaubt ihr nicht!'

Die Tür geht auf und huldvoll tritt der König ein im Festgewand.

Und hinter ihm, aus schnellem Schritt, die Schar der Diener kommt zum Stand.

Der König spricht: "Mein lieber Sohn, was ist es, das dich so erregt?

Ich dachte auch, du hättest schon Gewand und Krone angelegt!"

"Ach Vater, sieh' doch!", sagt der Prinz und streckt die Hand nach vorn.

"Ein lieber Gast aus der Provinz - komm', zügle deinen Zorn!"

Der Frosch quakt nun sein schönstes Lied, um ihn zu überzeugen.

Der König gleich gewinnt ihn lieb und rufet aus mit Freuden:

"Ein Prachtkerl ist's - er quakt so fein! Er soll im Schlosse bleiben!"

Zum Frosch sagt er: "Nicht schüchtern sein! Du wirst Geschichte schreiben!"

Des Abends ist es dann so weit, der Frosch ist eingeladen.

Zum Rausputzen nimmt er sich Zeit - das kann gewiss nicht schaden.

Die schönste Robe packt er aus, sich fein und festlich einzuhüllen.

Es ist der reinste Augenschmaus, die Etikette zu erfüllen.

Ein rauschend Fest beginnt sodann, die vielen Gäste sind gekommen.

Der Frosch hat gleich so schnell er kann den größten Tafeltisch erklommen.

Dies ist der schönste Platz der Welt, hier neben dieser Vase.

Unter der Blumen duftend Zelt, das schmeichelt seiner Nase.

Im Hintergrund erklingt die Harfe, des Prinzen lieblicher Gesang.

Man isst und trinkt frei nach Bedarfe, getanzt wird viele Stunden lang.

All' die jungen Mädchen hoffen, der Prinz wird sie zum Tanzen wähl'n.

Schließlich sind sie eingetroffen, sich mit dem Prinzen zu vermähl'n.

Der Frosch will ihn als Vorbild seh'n und hübsche Frauen locken.

Auch er möchte auf Brautschau geh'n, dann läuten Hochzeitsglocken.

Er wollte immer danach streben, träumt davon rund um die Uhr.

Romantik für ein ganzes Leben, Ritter, Glitter und Glamour.

Der Frosch klettert in seiner Robe auf der Vase dicken Bauch.

Gemütlich setzt er sich zur Probe - und bequem ist es dort auch!

Nun hat der Frosch den besten Platz, blickt auf das bunte Treiben.

Dort oben sitzt er wie ein Spatz und dort wird er auch bleiben.

Die Robe glänzt im Mondenschein, die gold'ne ist's heut' nacht.

Fortan wird er hier immer sein, der Vase schönste Pracht.

(Dorothé Sosnick, Juliane Schöttler)